Oscillations/Oszillationen*

Writings/Schriften

Oscillations/Oszillationen*


 

To the english version of the essay

 

Oszillationen*

 

In meinen Werken setze ich mich mit dem Modernismus auseinander, d.h. ich versuche innerhalb der Gattung Malerei mit reduktionistischen Mitteln das Wesen der Malerei herauszuarbeiten. Wobei ich hierbei die Voraussetzungen der Malerei – im Gegensatz zu Greenberg – noch weiter einenge und auch auf die Leinwand verzichte, was zur Folge hat, dass sich die Gattungsgrenze der Malerei hin zur Skulptur öffnet. Dem Greenbergschen Credo folgend, versuche ich nicht durch pure Negation des Modernismus zur Postmoderne zu gelangen, sondern mich durch den Modernismus mit modernistischen Mitteln hindurch zu kämpfen, um ihn hin zur Postmoderne zu überwinden, aber auch zu erneuern. Ich bewege mich also im Spannungsfeld, d.h. ich oszilliere zwischen Modernismus und Postmoderne. In meinen Kunstwerken geht es also formal (aber auch inhaltlich) um Oszillationen. Oszillationen zwischen einzelnen (Kunst-)Gattungen, zwischen Kulturen, zwischen zwei Seiten, die unvereinbar zu sein scheinen. Hierbei ist mir in meinen Kunstwerken wichtig, diese zwei Seiten als zur ein und derselben Medaille gehörig darzustellen. Die Kunstwerke sind sowohl als einheitlich als auch disparat anzusehen, je nach der Position, die man zu den Kunstwerken einnimmt. Wenn die Kunstwerke als Malereien betrachtet werden, sind sie Darstellungen von Spannungen zwischen der einen und der anderen Seite, bei der die Einheitlichkeit der Kunstwerke in den Hintergrund tritt. Wenn die Werke als Skulpturen betrachtet werden, ist wiederum auf Kosten der Spannung der einzelnen Seiten ihre Einheitlichkeit im Vordergrund. Und man bekommt ein Gespür für das Spannungsfeld, das zusätzlich dazu zwischen der Malerei und der Skulptur besteht. Dies alles sind Dilemmata, aber auch Freiheiten, die diesen Spannungsfeldern innewohnen. Es ist nur eine Sache der Perspektive, ob etwas als Dilemma oder ein Moment der Freiheit (für etwas) angesehen wird.

Deshalb sollte die Hängung der Werke im Raum (und nicht an der Wand) als Labyrinth angelegt sein, bei der sich der Betrachter erst einmal orientieren muss. Der Betrachter soll einerseits das sichere Gefühl verlieren, mit dem gewohnten Blick an die Kunstwerke herangehen zu können, ohne dabei sich selbst zu verlieren. Andererseits steht am Ende der Betrachtung immer eine Freiheit für eine bestimmte Betrachtungsweise, für die man sich entscheiden kann (aber nicht muss) und für welche man die Verantwortung zu übernehmen hat. Wichtiger aber hierbei ist, dass das Gefühl vorherrscht, „frei für etwas“ zu sein. Dies bewusst zu machen ist das Ziel meiner Werke.

Die nun folgenden Worte zu den Kunstwerken beziehen sich sowohl auf die formalen als auch auf die inhaltlichen Aspekte derselben: das Ergebnis meiner Werke ist ein Bruch mit dem Modernismus zur Postmoderne, aber auch eine Geltung des Modernismus für die Postmoderne. Den Bruch möchte ich hierbei auch auf zweierlei Weise verstanden haben: erstens als ein Ausbruch (im formalen Sinne: der Farbe aus der Gefangenschaft der Leinwand) und zweitens als ein Aufbruch (im formalen Sinne: der gattungsspezifischen Grenzen), um die daraus resultierende(n) Aufbruchstimmung(en) angemessener auszudrücken.

Die alten Bilder, Räume und Perspektiven interessieren mich innerhalb meiner Werke nur insoweit, als dass ich mich von ihnen distanziere. Ich möchte von einem Bild wegkommen und wieder mehr Raum bekommen, um neue Perspektiven zu gewinnen, in denen wiederum ein Raum für neue Bilder erschaffen wird. Und auch, um wieder ein Gespür dafür zu finden, was es heißt, ein Mensch zu sein und diese in meinen Kunstwerken auszudrücken. Diese Wirkung möchte ich auch bei der Rezeption der Kunstwerke evozieren.

Um eine Analogie zur Sprache in Anspruch zu nehmen: obwohl die Methode des Modernismus auf Eindeutigkeit abzielt, ist das Ergebnis mehrdeutig. Ich fange auf modernistische Art und Weise die Mehrdeutigkeit des Modernismus ein, um ihr wieder das Freie und Spielerische näherzubringen. Denn hierin steckt für mich der Keim zur Freiheit i.S. eines „frei für etwas sein“, auf welches ich abziele (im Gegensatz zur „Freiheit von etwas“, welches die methodische Grundlage meiner Malerei ist, aber nicht das Ergebnis).

Ich habe aufgrund fehlender Begrifflichkeiten den Begriff „modernistische postmoderne Kunst“ gewählt, obwohl die beiden Begriffe sich auszuschließen scheinen. Eigentlich könnte man es auch folgendermaßen ausdrücken: meine Kunst ist sowohl modernistisch als auch postmodern und sie ist weder modernistisch noch postmodern.

Was heißt nun all dies und wohin führt dies alles?

Ich möchte und kann keine eindeutige Antwort geben. Ich hoffe, dass durch diese Kunstwerke alles wieder offener ist.

Vielleicht reicht es aber vorerst, wenn ich sage, dass es sich immer wieder lohnt und lohnen wird, im Hier und Jetzt mit einem Auge in die Vergangenheit zu blicken, um Möglichkeiten von Zukunft zu entdecken.

 

Frankfurt am Main, 01.09.2015

 

*Oszillationen werden in der Physik (im speziellen der Elektrophysik) durch sog. Oszillographen in Form von Oszillogrammen aufgezeichnet. In Oszillogrammen werden Zeitverläufe von elektrischen Spannungen angezeigt. Ich verstehe im Folgenden „Oszillationen“ in Anlehnung an obige Beschreibung als „Bewegungen in einem Spannungsfeld/in Spannungsfeldern“.

 

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Oscillations*

 

I deal with modernism in my works, that means I try to work out the essence of painting with reductionist means within the medium of painting. But – in opposition to Clement Greenberg - I narrow the premises/presuppositions of painting by refraining from the canvas, which results in painting opening up towards sculpture. I follow the paths of Greenberg by trying to reach towards the postmodern not by a simple-minded evasion or by negation of modernism. I am overcoming and renewing modernism towards the postmodern with modernist means, by fighting my way through it. I walk a fine and tense line, that means I oscillate between modernism and the postmodern. Thus, my works are about formal and contentual oscillations. Oscillations between (art) disciplines, between cultures, between two sides, which seem to be incommensurable. For me, it is of great importance to illustrate these two sides as two sides of the same coin. The works need to be seen both united and disparate, which depends on the position you occupy/take up. If the works are seen as paintings, they are illustrations of the tension of the two sides, in which the unity fades into the background. If seen as a sculpture, the tension of each side fades into the background for the sake of unity. Adding to this, you also begin to have a sense for the tension between painting and sculpture. These tensions are all dilemmas, but also liberties, which inhere these tensions. It is a matter of the perspective taken, whether something is seen as a dilemma or a momentum of freedom (of choice).

This is also the reason why these works of art should be hung not at a wall but in the middle of the room and be arranged as a labyrinth, so the recipient has to find an orientation first. On the one hand, the recipient should lose her/his known habitual look at art without losing oneself. On the other hand, the way you look at things is always a specific one you can choose to do so (but don´t have to) and for which you are responsible for. More important in all of this is the predominant feeling to be free (to choose). To bring this to mind is the aim of my works.

The following refer to both the formal and contentual aspects of my works: the result of this approach is a break/breach with modernism towards the postmodern, but also the validity of modernism for the postmodern. If I use the word “break”, I want it to be understood in the following two ways: first as a breakout (formally: of the color from the limitations of the canvas) and second as a breakup/departure (formally: of the limitations of the discipline) in order to find a more appropriate expression for the spirit of optimism that results from these two understandings.

I´m interested in the old pictures, spaces and perspectives insofar as it is a point of departure and from where I can move on. I want to get away from a picture so that I can give myself the space to gain a new perspective, which is the base for new pictures in a new space. And to have sense of what it means to be a human again, which I express in my works. That´s the impact I want to evoke in the reception of these works.

It helps to make use of the following analogy deriving from language: although the modernist methods tend to aim at clarity, the results are ambiguous or polysemous. My modernist approach tries to capture this clarity of modernism to give it an understanding of openness and playfulness as a result. For me, there is a nucleus of freedom in the sense of “to be free for/to” in this clarity, which is the methodical means of my work, but not its end.

In lack of a better notion, I chose the notion “modernist postmodern art”, although these notions seem to be mutually exclusive. I could have chosen to express it the following way: my works of art are both modernist and postmodern and neither modernist nor postmodern.

At the end, what does this all mean and where will it lead to?

I don´t want to and I can´t give a categorical answer. I hope that these works of art open up everything.

Perhaps for the moment, it is enough to say that it is and will always be worth to look at the past right here and right now to discover a possibility of future.

 

Frankfurt/Main, September 1st 2015

 

*In (electro-)physics, oscillations are recorded in the form of oscillograms with so-called oscillographs. Oscillograms display electric tension over time (simplified description). In the following, I understand “oscillations” referring to the description above as a “movement within a field of tension”.

 

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